Aus der Festschrift zur feierlichen Wiedereröffnung des Seniorenheimes
nach der Sanierung am 8. Juli 1994


Leben und Wohnen im Altenheim
Joachim Berga

"Ins Altenheim? Nia im Lehn!" schimpfte die 83-jährige Anneluise S., als ihr die seit zwei Jahren zur Hand gehende Nachbarin im Nachkriegswohnblock an der Innstraße einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete. "AberAnni, da sorgt ma für Di! Du brauchst die um koa Wasch mehr kümmern, dei Essn kriagst alle Tag, und wenn'st amoi krank bist, na helfan da die Schwestan und Pflega! Da brauchst da um nichts mehr schaun!" versuchte die Nachbarin zu überzeugen. "Genau des is des, was i ned mog!" antwortete erbost Anneluise S. "Da wird ma ständig kontrolliert. Da derfst ned lebn wia'st magst. Da bist eig'sperrt. Da kemman wuidfremde Leit daher und sagn da, wia'st lebn muaßt. Nanna, da hab i scho sovui g'hört davo! Des is ned mei Sach, und wenn i stirb, dann möcht i des dahoam doa! In meine vier Wand. Da, wo i mei Lebn g'lebt hab. Ach, wenn grad mei Schorsch no da war! Jetzt is er scho fast drei Jahr tot. O mei, i woaß scho, daß i oit bi, und daß mei Zeit schee langsam ablauft. Aba ins Altenheim laß i mi ned doa!"

Typische Reaktion betroffener alter Menschen? Alterssturheit und Altersstarrsinn? Zu leicht gibt sich die Gesellschaft mit derartigen Erklärungen zufrieden und bemüht sich vielfach nicht einmal im Ansatz, die Verhaltensweisen alter Menschen zu verstehen. Darüber hinaus prägt das Bild des konventionellen Altenheimes mit herrischen Schwestern, armseligen Ausstattungen und fremdbestimmten Tagesabläufen die öffentliche Meinung und schürt somit auch den Widerwillen der Senioren gegenüber jenen Einrichtungen. Den Gesetzen der Logik zufolge kann somit ein Altenheim im öffentlichen Bewußtsein nie anders als negativ verankert sein.

Die moderne Altersforschung zeigt jedoch Wege und Möglichkeiten auf, selbst mit körperlichen und geistig-seeli-schen Einschränkungen im Alter ein selbstbestimmtes Leben auch in stationären Einrichtungen zu gestalten. Die Erkenntnisse dieser noch jungen Wissenschaft fließen in die Ausbildung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern ein und ermöglichen professionellen Pflegekräften, den hilfsbedürftigen Menschen die Pflege und Betreuung zukommen zu lassen, die sie entsprechend ihrer Biographie und ihres psychosozialen, wie geistig-seelischen und physischen Zustandes benötigen. Individuelle Lebensplanung und -gestaltung gilt somit als Richtwert für die moderne Altenpflege, stets unter Berücksichtigung jeglicher Kompetenz und Selbstkontrolle des Individuums im Lebens- und Wohnraum Altenheim. "Soviel wie nötig, so wenig wie möglich!" lautet daher der Grundsatz hinsichtlich Unterstützung und Hilfe in vielen Situationen.

Die konservative Überversorgung hat ausgedient. Auch der Gesetzgeber hat diese Erfordernisse erkannt und mit der Novellierung des Heimgesetzes sowie der Schaffung des Betreuungsgesetzes den rechtlichen Rahmen für ein selbstbestimmtes Leben in stationären Einrichtungen der Altenhilfe festgelegt. Dabei sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der Seniorinnen im Zuge der vorgeschriebenen Heimbeiratsarbeit recht vielfältig und räumen beispielsweise in bezug auf Heimordnung, Essens- und Ruhezeiten ein beträchtliches Mitspracherecht ein. Ein partnerschaftliches und gegenseitig respektierendes Zusammenwirken zwischen Bewohnern und Mitarbeitern eines Heimes ermöglicht so allen ein Stück Lebensqualität. Diese Leitlinien hat sich das Heiliggeist-Spital auf seine Fahnen geschrieben.



Seniorenheim der Bürgerlichen Heiliggeist-Stiftung Passau. Festschrift zur feierlichen Wiedereröffnung des Seniorenheimes nach der Sanierung am 08. Juli 1994. Bildnachweis: Atelier Kaps, Passau, Abb. 1, 4; Rudolf Schneider, Passau, Abb. 3; Stadt Passau, Abb. 2; Herausgeber: Stadt Passau, Redaktion: Büro für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Unterverzeichnis:

Grußwort Dr. Edmund Stoiber

Grußwort Dr. Gebhard Glück

Grußwort Willi Schmöller

Grußwort Anna Penzkofer

Geschichte der Hl.-Geist-Stiftung, Franz Mader

Denkmalpflege bei der Sanierung, Dr. Ing. Mathias Ueblacker

Leben und Wohnen im Altenheim, Joachim Berga

Architektur und Bauabwicklung, Hannes Schaudinn u.
Walter Schwetz

Planungs- und Baudaten,
Johann Freund

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Pflegezimmer neu
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Außenfassade vor der Sanierung
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Franziskaner, 1. Obergeschoß, während der Sanierung
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Pflegezimmer Naßzelle neu